Liebe frischgebackenen Eltern, das wird schon wieder! – Der Frust mit der Lust nach der Geburt

Nach einer Geburt ist Sexualität einer der verletzlichsten Bereiche der Beziehung. Eine Zusammenfassung von 59 Studien konnte zeigen, dass sich die sexuelle Aktivität bei Paaren bereits schon während der Schwangerschaft reduziert, sich ein Stück weit nach der Geburt erholt, jedoch häufig das gesamte erste Jahr nach der Geburt niedriger als vor der Schwangerschaft bleibt (Sydow, 1999). Ungefähr ein Drittel der Frauen, insbesondere Erstgebärende, leiden unter lang anhaltenden negativen Einflüssen auf ihre Sexualität. Besonders viele frisch gebackene Väter hadern mit der neuen Situation. Die tief greifenden und oft negativ empfundenen Veränderungen der Sexualität stellen zusätzlich zur neuen familiären Situation eine große Herausforderung dar. Natürlich beklagen auch die Frauen die mangelnde Sexualität im ersten Jahr nach der Geburt, jedoch sind die Männer –besonders in hauptsächlich monogamen Gesellschaftsformen- meist deutlich frustrierter.

Warum ist es so, dass zwar beide mit der Situation unzufrieden scheinen, sich aber doch vorerst nichts daran ändert? Neben fehlender Zeit für Zweisamkeit sollte besonders zwei weiteren Gründen Beachtung geschenkt werden: Das Auftreten von Geburtsverletzungen und das Stillen. Ersteres kann je nach Schweregrad der Verletzung längerfristig der Grund für Schmerzen während des Geschlechtsverkehrs sein. Dies ist der Hauptgrund für eine späte Wiederaufnahme der sexuellen Aktivität nach der Geburt (Hicks, 2004). Bei Zweitem, dem Stillen, fühlen sich viele Mütter nicht wohl, wenn ihre Brust ebenfalls durch partnerschaftliche Erotik stimuliert wird. Frauen können oft die ernährende Funktion ihrer Brüste nicht mit Paarsexualität in Einklang bringen. Auch Männer reagieren auf das Stillen, und zwar sehr unterschiedlich. Manche empfinden es als sexuell stimulierend, während andere stark ablehnend reagieren, wenn beispielsweise während dem Geschlechtsverkehrs Milch aus der Brust läuft. Stillende Frauen sind jedoch sexuell aktiver, wenn sie in der Stillzeit Unterstützung erfahren und sich wohlfühlen. Auch prinzipiell dem Stillen gegenüber positiv eingestellte Männer sehen häufig einen negativen Einfluss des Stillens auf ihre sexuelle Beziehung.

Es bleibt zu betonen, dass sexuelle Probleme post partum sehr häufig, aber endlich sind. Grundsätzlich gilt der Ratschlag: „Das wird schon wieder!“ Als Paar ist es trotzdem grundlegend wichtig, frühzeitig Bewältigungsstrategien für diese herausfordernde Zeit zu entwickeln. Durch Kommunikation über sexuellen Bedürfnisse zwischen den Partnern wird Missverständnissen vorgebeugt und die Beziehungsqualität erhalten. Die alleinige Betrachtung der frischgebackenen Mutter unter dem Gesichtspunkt sexueller Herausforderungen in der Paarbeziehung wäre unzureichend. Zu einem Paar gehören nämlich immer zwei Menschen. Und beide haben ihre eigenen Ängste, Gefühle und Bedürfnisse.

 

Quellen:
Hicks, T.L., Goodall, S.F., Quattrone E.M., Lydon-Rochelle, M.T. (2004). Postpartum sexual functioning and method of delivery: summary oft he evidence. Journal of Midwifery & Women’s Health, 5, 430-436.
Sydow, K. (1999). Sexuality during pregnancy and after childbirth: a metacontent analysis of 59 studies. Journal of Psychosomatic Research, 1, 27-49.
Wehrstedt, C. (2015). Der Frust mit der Lust nach der Geburt. Hebammenforum, 16, 1173-1178.